In der Welt habt ihr Angst…  Joh 16,33

Angst gehört anscheinend zum Leben. Jeder verspürt sie irgendwann einmal.
Und sie muss nicht immer negativ sein. Sie kann uns zu Vorsicht und Besonnenheit ermahnen und uns vor unüberlegtem Handeln schützen.

Aber es gibt auch die andere Angst, die uns lähmt, wenn sie uns unversehens überfällt. Es kann eine eben diagnostizierte Krankheit sein, ein Todesfall, der uns bis ins Mark trifft, eine Kündigung oder eine gescheiterte Beziehung … die Pandemie. Es gibt viele Situationen, in denen sich die Angst bis zur Panik steigern kann. Woher kommt mir Hilfe in solchen Situationen?

Und da ist noch dieser Krieg in der Ukraine, den man einfach nicht aus dem Kopf und dem Herzen bringt: die weit aufgerissenen Augen der Kinder, die verweinten und übermüdeten Gesichter der Mütter, der herzzerreißende Abschied von Ehemännern, Vätern und Brüdern an der Grenze und dann die Flucht in eine ungewisse Zukunft.
Ein völlig sinnloser Krieg, der nur kaputt macht und zerstört. Es gibt keinen Gewinner, denn Tausende von Menschen sterben auf beiden Seiten.
Und was können wir tun, außer unsere eigene Hilflosigkeit zu erleben?

Ein Gedicht von Matthias Claudius geht mir nicht aus dem Sinn:
„‘s ist Krieg,‚‘s ist Krieg
Und ich begehre,
nicht schuld daran zu sein.“

Er schreit das heraus für seine Zeit und ein anderes Jahrhundert. Die Erschütterung bleibt dieselbe.
Viele Menschen sagen heute, dass sie keine Nachrichten mehr anschauen, weil die Bilder zu grausam sind. Ich verstehe und respektiere das. Aber ich habe für mich eine andere Lösung gefunden. Ich lasse die Bilder nahe an mich heran, aber ich behalte sie nicht. Ich halte sie dem hin, der unser aller Schicksal in den Händen trägt. Ich versuche, eine Straße offen zu halten, die den Frieden mitdenkt und ersehnt. Die mit vielen Ukrainern zusammen die Hoffnung nicht aufgibt und an eine andere Zukunft glaubt. Das Wie ist noch unvorstellbar. Inzwischen bleibt für uns die Sorge um die Geflüchteten, die in unsere Nähe kommen.

Jesus Christus musste aufgrund seiner Lehre von der umfassenden Liebe Gottes zu uns und die daraus folgenden Konsequenzen einen Krieg gegen seine eigene Person erleben. Er störte gewisse Menschen in ihrem Machtanspruch und Profitdenken. Er musste weg. Er hat seine ganz eigene Angst und Einsamkeit durchlebt. Die Szene am Ölberg zeigt es uns.
Aber er lässt es nicht dabei bewenden, dass wir zu Recht Angst haben in dieser Welt. Er spricht weiter:
„…Aber lasst euch trösten: Ich habe die Welt überwunden.“
Unsere Hoffnung ist also an der Person Jesu Christi festgemacht – an einem, der in den Augen vieler gescheitert ist, der kaum einen hatte, der am Ende noch zu ihm gestanden ist.
Wie sieht also seine Überwindung der Welt aus? Wo war in seiner Todesnot der Vater, den er so innig liebte? Wir dürfen die Antwort nicht verstehen auf der Ebene menschlicher Logik. Wir können sie nur ahnen auf der Ebene der Zusage Gottes, dass er DA ist. Menschen wie Dietrich Bonhoeffer oder P. Alfred Delp haben es bezeugt aus dem Todesbunker. Sie haben ihn erfahren jenseits der Verzweiflung, die sicher auch eine Phase war.
Die sieben letzten Worte Jesu, die man in seinem Todeskampf nachgefühlt hat, zeigen das ganze Spektrum von Empfindungen und Ängsten, denen Jesus – wie viele andere – ausgesetzt war. Gott fing ihn auf, aber anders, als wir Menschen es uns vorstellen konnten. Er zeigt in Jesu Auferstehung „die Macht einer absolut begründeten Hoffnung“ (Bonhoeffer), die für uns alle gilt, wenn wir demütig genug sind, sie anzunehmen. Wir müssen in den Gedanken Gottes wohnen lernen.

Text: Sr. Pietra Hagenberger
Holzschnitt: Sr. Christina Mülling osf