Wir haben für heuer die Kartage hinter uns, das Osterfest und Pfingsten. Wenn es gut ging, konnten wir Gottesdienste live mitfeiern oder am Radio oder im Fernsehen. Nun können wir uns fragen: Was haben diese Festtage mit uns gemacht? Hat sich irgend etwas in uns verändert, weil wir das Leiden Christi neu bedacht, ihn als Auferstandenen neu geglaubt und uns der Führung des Heiligen Geistes neu anvertraut haben? Christus hat seine Jünger und uns mit allem ausgestattet, was wir brauchen, um ein sinnvolles, an ihm ausgerichtetes Leben zu führen. Er wird im Heiligen Geist für immer bei uns sein (Joh 14f), damit wir seine Zeugen sind.
Ist es uns bewusst, dass das sein Auftrag an uns ist: seine Zeugen zu sein. Nicht nur als Missionarinnen irgendwo in der Welt, sondern an dem Platz, an dem wir gerade sind, in der Situation, in der wir uns befinden. Dieses Zeugnisgeben geschieht oft nicht durch Worte, sondern einfach durch unser befriedetes Herz, das mit schwierigen Situationen anders umgeht als ein friedloses.
Mir ist heuer zum ersten Mal aufgefallen, dass das Wort „Achtsamkeit“ als Gabe des Heiligen Geistes genannt wird und zwar in der Pfingstnovene von Renovabis. Achtsamkeit ist eine Eigenschaft, die der Buddhismus in besonderer Weise pflegt. Sie ist eine Wachheit des Herzens für die Berührung mit dem Heiligen, eine Feinfühligkeit für die Anwesenheit Gottes in unserer Welt. Ist sie in uns ein wenig gewachsen durch die Möglichkeit, an religiösen Ritualen teilzunehmen, die vielen von uns von Kindheit an vertraut sind und die uns durch die Pandemie noch kostbarer geworden sind? Sind uns Einheit und Geschwisterlichkeit und Gemeinschaft neu zu Werten geworden, für die wir uns einsetzen und die wir zu erhalten suchen, soweit wir das in unserer Situation können? Dann klingt das „Lumen Christi“ der Osternacht in uns weiter und schenkt uns eine unbesiegbare Hoffnung nicht nur für uns selbst und die Menschen um uns, sondern für die ganze Welt.
Es kommt mir ein Theaterstück von Bertold Brecht in den Sinn, „der kaukasische Kreidekreis“. Es ist die Magd Grusche, die mich beeindruckt. Als die Einwohner des Gouverneurhauses vor den herannahenden Besetzern geflohen sind, geht die Magd noch einmal durch das leere Haus. Da findet sie das Baby, das die Mutter vergessen hat, weil ihr ihre wertvollen Kleider wichtiger waren. Sie setzt sich an das Bettchen und beobachtet das schlafende Kind. Als sie schließlich aufsteht und weggehen will, merkt sie, dass sie das nicht mehr kann. Sie hatte zu lange auf das Atmen des Kindes gehorcht und so musste sie es einfach mitnehmen.
Für mich ist das die Antwort auf die Frage mancher Freunde an mich, warum ich denn noch zu einer Kirche halte, die ihren eigentlichen Auftrag so oft verraten hat und für sie nicht mehr glaubwürdig ist. Ich bin auch entsetzt über ihren Machtmissbrauch in vielfältiger Form. Ich leide an ihr. Und doch ist da noch etwas. Vielleicht bin ich zu oft oder immer wieder in der Stille und Leere gesessen und habe auf ihr Atmen gelauscht und auf die geoffenbarten Wahrheiten, die sie trotz allem behütet und bewahrt. Vielleicht habe ich das Atmen Gottes gehört wie in der umwerfenden Schönheit der Schöpfung und im Jahreskreis, der dem Leben und dem Sterben seine Struktur gibt und alles Ungelöste und Unbeantwortete auffängt in einer großen Barmherzigkeit. Das ist kein billiger Trost. Es ist der einzige.
Vielleicht erleben wir diesen Atem Gottes, den Heiligen Geist, tatsächlich immer wieder als den, der uns lehrt und erinnert. Aber er braucht Raum in unserem Inneren. Unsere Achtsamkeit wird ihm dort entgegen warten. Sr. Pietra Hagenberger
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