Fast hätte er sie übersehen, als er über die Felder wanderte   die kleinen Goldkörner, die über die Ackerschollen zerstreut lagen. Seine Augen waren auf das Übliche gerichtet, auf die Weite der Landschaft und auf die strahlende Sonne, die die Ackerkrume unterschiedlich färbte. Es war alles wie sonst.
Plötzlich aber sah er den Schatz. Die Sonne hatte ihn für ihn entdeckt.  Er rannte nach Hause, um den Acker zu kaufen.  Jetzt gehörte er ihm und er fühlte sich unendlich reich.
Das klingt wie ein Märchen und ist es vielleicht auch. Und doch auch wieder nicht. Denn jeder von uns hat schon einmal die Erfahrung gemacht, etwas oder jemanden gefunden zu haben, das oder der/die das Leben umkrempelt und ihm einen neuen Sinn gibt. Das ist ein Schatz anderer Art, denn er steht für einen Wert, der über das Materielle hinaus geht. Es bedeutet neue Lebensqualität und neue Energie.
Nicht umsonst nennen Liebende einander „mein Schatz“. Wie jedes menschliche Wort kann es ausdünnen und zur Floskel werden, die kaum noch Inhalt hat. Aber es kann auch ein Ausdruck tiefer Dankbarkeit bleiben und ein Bekenntnis zu ungebrochener Treue.
Dazu fällt mir eine Geschichte ein.
Elmar Gruber, ein sehr bekannter Priester und Autor, war beliebt für die anschauliche und  eindrückliche Weise seines Religionsunterrichts in der Grundschule. Als er den Kindern den Schatz im Acker verständlich machen wollte, brachte er eine große,  flache, mit Erde gefüllte Schachtel mit und holte vor den staunenden Kindern einen in allen Farben schimmernden Schatz heraus. Ein Junge, Sohn eines wohlhabenden Landwirts, bekam ganz runde Augen und rief aus: “Woos – und den ganzen Dreck hat er mitkaaft??“
Elmar Gruber hat diese Geschichte in seinen Eheseminaren immer wieder verwendet. Ja, mit dem „Schatz“ erwirbt man auch das Dunkle im Anderen mit – seine/ihre stillen Vorurteile und Aggressionen, die Verletzungen aus  Kindheit und Jugend, alles noch nicht Aufgearbeitete und die damit verbundenen Gefühle.
Das macht den Schatz nicht weniger wertvoll, weil wir Menschen eben so und nicht anders sind – wir haben unsere Talente und guten Begabungen, aber eben auch unsere Schwächen und „Baustellen“, die wir auf Dauer nicht verstecken können oder wollen.
Der goldene Schatz im dunklen Ackerfeld – dieses Bild müssen wir uns bewahren, wenn Beziehungen gelingen sollen. Das ist unsere Realität und unsere Chance. unser Menschsein anzunehmen – in mir und in anderen. Das ist die Basis, auf der ein Miteinander wachsen und reifen kann. So wird der Schatz zum Eigentum, das ich nicht umklammern muss sondern in offenen Händen halten darf – bis über dieses Leben hinaus. Das heißt aber auch, dass ich um eine letzte Geborgenheit weiß, die alles umfasst. Eine Geborgenheit, die uns frei sein lässt und auch den anderen Menschen nicht einengt.

Irgendwo habe ich gelesen:

Wenn du etwas liebst,
gib es frei.
Wenn es zu dir zurückkommt
gehört es dir
Wenn es nicht zurückkommt,
hat es dir nie gehört.

Sr. Pietra Hagenberger
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Bildrechte: Webarbeit Sr. Rita Rösch
Text: Sr. Pietra Hagenberger