Aufgeweckt werden
Wach sein und den Stern sehen
Aufbrechen und einer Sehnsucht folgen –
mit nichts als einem Stern zum Geleit
und einer riesigen Freude im Herzen
Sie sahen das Kind und glaubten
Das mittelalterliche Bild aus der Kathedrale Saint-Lazare in Autun, Burgund, ist nicht ohne Humor.
Es zeigt drei Männer, offensichtlich aus vornehmem Geschlecht, die aufgereiht auf einem Bett schlafen. Einer ist schon fast wach, weil ihn ein Engel an der Hand stupst, um ihn zum Aufstehen zu bewegen. Der Stern leuchtet schon über der Liege. Es geht nicht, dass man da einfach liegen bleibt. Es gilt, eine Mission zu erfüllen, von der man nur die Umrisse kennt. Ein Stern, der etwas Großartiges verkündet, reißt die drei aus ihrem Dämmerschlaf. Sie brechen sofort auf.
Ob es nun Sterndeuter sind oder Weise aus dem Morgenland oder gar Könige, zu denen der Volksmund sie dann macht – es sind auf jeden Fall Menschen, die plötzlich hellwach sind, weil sie ahnen, dass es etwas zu entdecken gilt, das ihr Leben radikal ändern wird. Der Engel ist wieder weg, aber der Stern, der vor ihnen herzieht, hat sie in seinen Bann gezogen. Sie können nichts anderes mehr als ihm zu folgen. Wenn sie ihn sehen, jubelt ihr Herz – wenn er sich verbirgt hinter den Wolken, überfällt sie schreckliche Angst. Sind sie einem Hirngespinst nachgelaufen? Haben sie sich getäuscht? Es gibt keinen Beweis, sie sind auf dem langen Weg oft allein. Sie können keinen fragen, außer sich gegenseitig. So bleiben sie lange ohne Antwort.
Spüren wir unsere Verwandtschaft mit ihnen, wenn wir sie so sehen als Mitmenschen, die wie wir lange mit offenen Fragen leben müssen? Können wir aber auch ihre riesengroße Freude nachempfinden, wenn der Stern wieder klar zu sehen ist, wenn wir den Sinn wieder fast mit Händen greifen können? Das Muster bleibt dasselbe, auch wenn über 2000 Jahre dazwischen liegen.
Sterndeuter waren und sind geschulte Leute, und trotzdem geraten sie an Grenzen des Erkennens und Verstehens. Es gibt Durststrecken. Theologen sind geschulte Leute, und trotzdem können sie nie sicher sein im Sinn von Beweiskräftigkeit und Unfehlbarkeit. So wie sich das menschliche Bewusstsein in unterschiedlichen Menschen jeweils anders entwickelt, so geschieht es auch in der Art und Weise unseres Glaubens. Wichtig ist nur eines: dass wir das Kind finden. Oder dass wir uns von ihm finden lassen, in welcher Weise auch immer.
Unsere Freude über Christi Geburt und unsere Anbetung sind still und unspektakulär. Nur in der hl. Schrift und in unseren alten, wunderbaren Weihnachtsliedern schwingt eine Ahnung von der ungeheuren Dimension Gottes, der sich im Wort und in menschlicher Gestalt inkarniert.
Die Sterndeuter kommen auf einem anderen Weg und als Veränderte heim. Sie schützen das Kind – den erwachsenen Jesus können sie nicht mehr beschützen. Ob sie sein Schicksal je erfahren haben? Wahrscheinlich nicht, denn es gab noch keine globale Vernetzung.
Aber die Leute zu Hause im Orient, zu denen sie zurückkamen, wunderten sich darüber, wie denn ein kleines Kind Menschen so verändern kann. Aber sie wussten eben nicht alles.
Text: Sr. Pietra Hagenberger