Gehorsam

Gehorsam – das klingt zunächst altmodisch, schlimmer noch, der Begriff hat den Beigeschmack von Unmündigkeit.
Das gerade aber ist ausdrücklich nicht gemeint. Maria Theresia Gerhardinger, die Gründerin unserer Kongregation, warnte ihre Schwestern davor, „den Gehorsam bloß dem Buchstaben nach äußerlich zu erfüllen“ (# 3006). Das war im 19. Jahrhundert.
Heutzutage fällt es weitaus schwerer, den Begriff vorbehaltlos zu betrachten.
Gehorsam umschließt zwei Vorgänge: zum einen das Hören, das Hinhören, das In-sich-hinein-Hören, zum anderen die Reaktion auf das Gehörte.
Wenn richtig verstandener Gehorsam alles andere als blinder Gehorsam oder Untertänigkeit ist, dann setzt er einen Akt der Freiwilligkeit, ja der inneren Freiheit voraus. Gehorsam ist somit ein Handeln, dem eine freie Entscheidung vorausgeht.
Diese wiederum ist nur möglich, wenn der Mensch offen und empfangsbereit ist. Das meint jedoch keineswegs, sozusagen stets und überall „online“ zu sein. Ganz im Gegenteil, um wirklich hören zu können, braucht es Zeiten der Stille – äußerlich und ebenso innerlich. Denn nur wer ansprechbar und zugänglich ist, wird hören, was ihm gilt.
Wir leben aus dem Glauben, dass Gott uns führt, und so sind wir überzeugt: „Er tut uns seinen Willen kund durch sein Wort, durch die Menschen, die Situationen des Lebens, der Kirche und der Welt und durch seine Anregungen in unserem Herzen.“ (Lebensregel Ihr seid gesandt K 19)
Die Kunst besteht also zuerst darin, Gottes Stimme überhaupt zu hören, des Weiteren, seine Botschaft zu verstehen. Darum bemühen wir uns nicht nur persönlich, sondern auch gemeinsam, und zwar mittels Gebet, durch persönliche Reflexion und Dialog der am Entscheidungsprozess Beteiligten. Eine solche Entscheidungsfindung, z. B. bei Übernahme einer Aufgabe, bei der Versetzung in eine andere Gemeinschaft, setzt in hohem Maße Verantwortungsbewusstsein voraus, gegenüber sich selbst, gegenüber der Gemeinschaft, gegenüber anderen. Wenn wir – die einzelne Schwester wie auch die Schwester im Dienst der Leitung – in dieser Weise um eine ehrliche Antwort ringen, „streben wir danach, seinen Willen zu erkennen und zu erfüllen.“ (Lebensregel Ihr seid gesandt K 18)
Nachvollziehbar ist dies nur im Hinblick darauf, dass wir mit unserem geistlichen Leben in Gemeinschaft auf Gottes Liebe Antwort geben wollen. So ist es unsere Hingabe, die uns befähigt, uns ihm und seinem Handeln zu überlassen.
Konkret heißt das, offen zu sein für Gottes Weg mit mir, an dem Ort, der mir zugedacht ist, in der Aufgabe, die mir übertragen wird, für die Menschen, die mir begegnen oder die mir anvertraut sind. Es meint aber auch, Ja zu sagen zu mir selbst, zu meinen Grenzen, mich auch im Scheitern anzunehmen, Ja zu sagen zu meinen Begrenzungen durch Krankheit oder anderes Leid.
Gehorsam ist also nicht ein Akt, sondern vielmehr ein Prozess, in dem wir Zeit unseres Lebens gefordert sind, an uns zu arbeiten, an dem wir wachsen und reifen. So suchen   wir schließlich zu einer Haltung zu gelangen, wie sie unsere Lebensregel formuliert:
„Bedingungslos gehorchen wir Gott, der uns sendet, und überlassen uns ihm und seinem Handeln.“ (Lebensregel Ihr seid gesandt K 18)
Apostolischer Gehorsam, den wir Arme Schulschwestern v.U.L.Fr. geloben, ist somit nichts anderes als die Bereitschaft, Gottes Anruf an mich zu hören und mich senden zu lassen in seinem Namen.

Bildquelle: 737374_original_R_K_B_by_Kurt Michel_pixelio.de