Viele Menschen lieben den Herbst als die schönste Jahreszeit. Die Natur scheint noch einmal alles aufzubieten, was sie an Kraft und Farbe hat. Und doch schwingt eine gewisse Melancholie mit. Wir wissen ja, dass die Bäume ihre Pracht nur eine kurze Zeit behalten. Dann müssen sie loslassen, ein Blatt nach dem anderen.
Es ist auch mit vielen anderen Dingen und Begebenheiten so, dass das Schöne, das uns tief berührt, die Schwermut der Vergänglichkeit in sich trägt. Wir können nichts für immer festhalten. Und doch leben wir von diesen Momenten, wenn unser Herz jubelt und wir einfach glücklich sind. Es ist wie ein Atemholen der Seele, wie ein Eintauchen in erfrischendes Wasser. Wir tanken Kraft aus solchen Augenblicken. In unserer Erinnerung bleiben sie lebendig.
Unser Verweilen bei dem Schönen und Guten macht es uns möglich, nicht zu klammern, sondern auch im Alter, im Herbst des Lebens also, mit einem neuen, ganz anderem Frühling zu rechnen. Willigis Jäger beschreibt es so:
„Das Alter bietet uns die letzte Möglichkeit für unseren menschlichen Reifungsprozess, ein Angebot, noch einmal zu wachsen, das gelebte Leben anzuschauen und zu versöhnen….und alles noch einmal in Liebe zu umarmen. Ja, alles, auch das Leid- und Schuldvolle…! Um es Ihm in die Hände zu legen mit Demut und Vertrauen. Wir sind ja immer noch im Werden, …es gilt, unsere Geburt zu vollenden.
Diese Zeit ist vor allem ein Weg nach INNEN. Die Rolle, die ich als Mensch gespielt habe, als Lehrer, Priester, Buchautor, Manager, Zenmeister oder sonst wer, relativiert sich. Bald werde ich als „Spielfigur“ des grandiosen Spielers GOTT vom Brett genommen. Doch das Leben endet nie. Ich lasse los und glaube an die Verheißungen Jesu, dass es im Haus seines Vaters viele Wohnungen gibt. Das Leben endet nie – es wandelt sich.“ (Klang des Göttlichen, Vier-Türme-Verlag)
Wir Menschen tun uns schwer, im Augenblick zu leben und nicht alles in Vergangenheit, das Jetzt und die Zukunft einzuteilen. Wir können auch das Dunkle und das Helle nicht gut als Einheit denken, weil wir in Raum und Zelt leben und uns mit dem „Nacheinander“ leichter tun als mit der „conjunctio oppositorum“ (C. G. Jung), der Versöhnung der Gegensätze.

Wenn wir unseren Verstorbenen den Frieden wünschen, meinen wir genau das: eine Ruhe, die ganz lebendig ist, einen Frieden, der keinen Kompromiss mehr braucht.

So gesehen sind beide, der Herbst in der Natur und der Herbst des Lebens, wichtige Zeiten der Ernte, der Freude und der Dankbarkeit. Farben mischen sich zu einer neuen, satten Ganzheit – wie ein Leuchten, das von innen her zu kommen scheint.

Die Vergänglichkeit alles Irdischen wird unser Herz immer wieder traurig machen. Aber warum sollte der Rhythmus des Jahres, der den Frühling immer mitdenkt, der Hoffnung und Zuversicht keinen Raum geben?
Das Leben endet nie, aber es wandelt sich. Unsere Herzen sind der Klangkörper. In dem der Wandel ausgetragen wird, manchmal in Dur, manchmal in Moll. Wir entscheiden selbst, was überwiegt.
Text; Sr. Pietra Hagenberger
Bild: Pfr. Robert Hegele