„ Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“
(2 Kor 12,10)
Dieses Wort kann man nur einem abnehmen, der diese ungeheuerliche Behauptung durch eigene Erfahrung belegen kann. Der Apostel Paulus kann das. Ihm ist etwas passiert, das sein Denken und Fühlen völlig verändert hat.
Er wurde von seinem „hohen Ross“ gestoßen und war für eine Weile blind, hilflos und auf andere angewiesen. Dann gingen ihm die Augen wieder auf, und er sah seine Schuld und Besessenheit bei der Verfolgung der Christen in einem anderen Licht. Es war seine Begegnung mit dem lebendigen Gott in der Person Jesu Christi., die ihn veränderte und ihm eine Sendung gab, die ihm alles abverlangte. Aber er wurde dabei heil von innen her.
Seitdem rühmt er sich seiner Schwachheit auf vielfältige Weise. Und mehr noch. Im 1. Korintherbrief konfrontiert er die Korinther mit ihrer Wirklichkeit in einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übriglässt: „Schaut euch doch mal selber an, liebe Brüder (und Schwestern)“. Er mutet den Korinthern zu, dass sie ihre eigene Wahrheit aushalten: Unter ihnen sind wenig Gebildete, sie sind arm und angewiesen…
Man kann sich ihre Betroffenheit vorstellen, wenn einem der Spiegel so vorgehalten wird. Uns ginge es ähnlich. Wie reagieren wir, wenn einer zu uns sagt: „Schau dich doch mal selber an…“? Können wir den Gedanken vertragen,
dass wir uns in allem, was unser Leben reich macht, „verdanken“?
Wir haben uns das Leben nicht selbst gegeben und nicht die wunderbare Natur um uns herum mit ihren Pflanzen und Tieren. Dass wir lieben können und geliebt werden, ist reines Geschenk, wenn wir auch daran arbeiten müssen.
Das heißt auch, dass wir nicht gering von uns denken sollten. Gott liebt den aufrechten Menschen, der zu sich selbst stehen kann. Es geht darum, dass wir die Erfahrung, die wir mit uns selber machen, stehen lassen und uns eingestehen. Und diese Erfahrung heißt: Wir fallen immer wieder auf das Außergewöhnliche herein. Wir tun uns schwer damit, einfach ein Mensch zu sein, der sich immer wieder für das Gute entscheiden muss. Wir fühlen uns sicher, wenn die Anderen gut von uns denken und sind beunruhigt, wenn sie eine unserer Schwächen entdecken.
Eine andere Szene: Berührt es uns nicht manchmal peinlich, wenn ein Anderer uns seine Schwäche eingesteht? Wir versuchen es spontan mit Beschwichtigungen und Entschuldigungen. Tatsache ist: Wir können seine/ihre Wahrheit schlecht aushalten.
Paulus hat erkannt, dass es nicht um die Schwachheit an sich geht, sondern um die Schwachheit auf Seiten Gottes. Das ist eine Schwachheit, die alles von Gott erwartet. Unser unangemessener Stolz zerbricht daran und alle Einbildung, dass wir mindestens auf einem Gebiet unfehlbar sind.
Vielleicht ist der Satz oder besser: die Wahrheit, dass die Kraft Gottes in der Schwachheit zur Vollendung kommt, ein echtes Ärgernis für Menschen unserer Zeit. Wir werden darauf eingeschworen, uns selber ins rechte Licht zu setzen und merken dabei oft nicht, dass die Grenze zur „Machtübernahme“ und Rücksichtslosigkeit fließend bleibt. Da hat das Schwache wenig Chancen und wird verleugnet.
Aber genau das sieht Gott anders. Er hat sich das Schwache ausgesucht, um das Starke zu beschämen. Die Worte „stark“ und „schwach“ müssen in einem neuen Kontext verstanden werden, den Gott uns in Jesus geschenkt hat
Das Wort „schwach“ bekommt neue, frische Energie und das Wort „stark“ verliert seinen Allmachtsanspruch und seine Tendenz zur Gewalt.
Kleine Worte können eine ganze Lebensphilosophie beinalten. Sie kommen immer wieder in unserem Leben vor – als Angebot Gottes zur Unterscheidung der Geister. Sie können aber auch zur Verheißung werden, die uns in eine große innere Freiheit führt.
Text: Sr. Pietra Hagenberger
Heute Morgen hat ein angehender Diakon aus unserer Gemeinde die Predigt gehalten. Er sprach zunächst von der Berufung aller Getauften. Wir haben
den Auftrag die Frohe Botschaft zu leben und damit Zeugnis zu geben für Ihn. Anderen Menschen fällt es auf, dass wir so leben wie wir leben und sie
fragen nach unserer Motivation.
Dann ging er auf seine eigene Berufung ein. Schon in jungen Jahren war er Messdiener, was ihm immer Freude bereitet hat. Beim Organisten
unserer Gemeinde, der ihm Klavierunterricht erteilte, erfuhr dann seine Vorliebe für Orgel und Kirchenmusik, was ihm bis heute erhalten geblieben ist.
Aus diesen Präferenzen und Stärken heraus fühlte er sich zum Priesterberuf hingezogen. Im Priesterseminar arbeitete er daran, mehr über sich
selber zu erfahren, was seine Stärken, aber auch seine Schwächen anbelangt. Er erkannte und bekannte eine Schwäche in Gestalt des Auftritts vor
Anderen. In der Schule habe er panische Angst davor gehabt, etwas vorlesen zu müssen, Angst, dass er steckenbleibt und sich verhaspelt, im weiteren
etwas vorzutragen, insbesondere vor einer Gruppe zu sprechen. An dieser Schwäche hat er im Laufe der Jahre (33) mit Erfolg gearbeitet. Seine
Schlussfolgerung: Der Herr verlangt nicht, dass wir vollkommen sind, er nimmt uns in unserer Schwachheit an, was wir auch selber mit uns tun sollten.
So sieht er seine Berufung zum Priester neben den Stärken auch aus der geschilderten Schwäche. Sein Wahlspruch für die Weihe zum Diakon ist das
Pauluswort, wenn ich schwach bin, bin ich stark. Die Gemeinde war angetan von dem überzeugenden Auftritt des jungen Mannes und spendete Beifall !