Nicht wenige Menschen haben ein zwiespältiges Gefühl bei dieser Vaterunser-Bitte. So als ob der Wille Gottes an sich schon etwas Bedenkliches sei und es besser wäre, sich in Acht zu nehmen.

Dieses Misstrauen hängt stark mit dem Gottesbild zusammen, das uns angsterfüllte Menschen weitergegeben haben: einen strafenden Gott, einen Buchhalter-Gott, einen kleinlichen, nachtragenden Gott. Das ist aber nicht der Gott Jesu Christi. Der zeigt uns einen Gott, der dem Verlorenen nachgeht und auch den nicht aufgibt, der sich selber aufgegeben hat.

Der Gott Jesu Christi ist ein Gott der Freiheit und des Wohlwollens, ja der bedingungslosen Liebe, auch wenn viel in unserer Welt dagegen zu sprechen scheint. Warum müssen manche Menschen so unsagbar viel leiden, warum gibt es Krieg und Terror? Warum gibt es Verrat und Lüge und Korruption?  Warum gibt es bestimmte Krankheiten oder gar Pandemien? Die Fragen machen ewig weiter. Und wenn es um Naturkatastrophen geht, dann nennt sie die englische Sprache „aActs of God“ (Taten Gottes) und hat damit gleich ihren Schuldigen.

Gott wird verdächtigt und doch hilft uns die Naturwissenschaft, vor allem die Quantenphysik, diese Verdächtigungen allmählich zurück zu nehmen. Auch die Psychologie ermutigt uns dazu, zu einem volleren Menschsein zu gelangen und unseren Schatten nicht auf andere zu projizieren.                                          Wieviel seelisches Leid geschieht, wenn Einzelne darauf bestehen: „Mein Wille geschehe, ich habe hier das Sagen und sonst niemand.“……………………………. Was, wenn ganze Völker so regiert werden?

Jesus nannte den Willen Gottes die Speise, von der er lebte. (Joh. 4,34) Einen krasseren Gegensatz zu den obigen Aussagen gibt es nicht. Gottes Wille ist für ihn der Raum, in dem sich der Sinn seines Lebens entfaltet. Jesus bewahrt sich dieses Urvertrauen durch viele schwierige Situationen seines Lebens hindurch. Er kann nicht immer alles verstehen aber er lässt Gott groß sein (magnificare) in seinem Leben und weiß sich im Willen seines Vaters geborgen.

Mir gefällt gut, was einmal ein geistlicher Schriftsteller in etwa so ausgedrückt hat: „Gottes Wille ist für mich, was ich mir im Tiefsten für mich selber wünsche.“  Es ist vor allem eine wachsende Beziehung zu diesem Gott. Wenn ich im Laufe meines Lebens spüren durfte, dass ich die geliebte Tochter/ der geliebte Sohn bin, dann kann ich mich getrost diesem Willen überlassen und sogar darum bitten, dass er geschieht.

Text: Sr. Pietra Hagenberger

Bildcompose: Sr. Karolina Müller

Originalbilder:  form PxHere