Wir Menschen schwanken oft zwischen den Extremen hin und her. Für manche ist die Sünde überall, für Andere nirgendwo. Diesmal liegt die Lösung nicht in der Mitte, denn es gibt sie, die echte Schuld. Ich kann sie nur um den Preis meiner Integrität leugnen. Sie kann zur Lebenslüge werden, wenn ich mich ihr nicht stelle. Sie wird heil durch befreiende Barmherzigkeit und Liebe. Nicht umsonst ist dieses Thema auch der Stoff für viele Romane und Filme.
Die Bitte um die Vergebung meiner Schuld setzt die Einsicht voraus, dass ich oft gegen mein besseres Wissen handle, gegen mein Gewissen und gegen die lange geduldige Geschichte Gottes mit mir. Und ich merke es oft nicht einmal. … Jesus spricht im Geist seines Vaters: “Gib mir deine Last.“ und wir halten sie oft fest wie einen Schatz, sagt Henri Nouwen.
Unser Alltag ist der Ort, wo sich unser Leben hauptsächlich abspielt. Er ist auch der Ort vieler kleiner Entscheidungen, die dann allmählich zu einer Haltung werden. Jemand hat es einmal so ausgedrückt: „Unsere eigentliche Schuld besteht darin, dass wir Gott im Alltag nicht erkennen.“
Kann uns Ordensleuten das auch passieren, wo doch die Struktur unseres Tages auf Gott hin ausgerichtet ist? Ja, denn wir sind Menschen, die wie alle in Gefahr sind, in Gewohnheiten zu verarmen oder uns in Ablenkungen zu verlieren.
Wir brauchen auch immer wieder den neuen Anfang miteinander in der Gemeinschaft. Den Anderen ihr Anderssein zu verzeihen, kann schwer sein, besonders wenn man sehr verschiedene Wellenlängen hat, wie man umgangssprachlich sagt.
Die Erzählung vom unbarmherzigen Gläubiger ( Mt 18,23-35) zeigt uns die Verwobenheit der beiden Sätze im Vaterunser. Wem viele Schulden erlassen worden sind, der kann doch nicht unbarmherzig sein gegen einen, der ihm nur eine Kleinigkeit schuldig geblieben ist.
Ist das nicht ein Anruf an uns, etwas großzügiger zu werden in unserem Denken und kleine Unstimmigkeiten so zu lassen, wie sie sind: kein Weltuntergang, sondern einfach normale Gegebenheiten unseres Alltags.
Text: Sr. Pietra Hagenberger
Bild: https://www.pixelstalk.net/