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Auf dem Weg zur Zuneigung

Das Wort „Toleranz“ war einmal ein stolzes Wort. Ganze Nationen sonnten sich an seinem Klang. Weltreligionen kämpften sich durch zu seiner Akzeptanz.
Und plötzlich reicht es nicht mehr. Andere Ansprüche, neue Erfahrungen zeigen uns in unserer global gewordenen Welt, dass „Toleranz“ – die Duldung eines anderen Denkens, einer anderen Weltanschauung oder einer anderen ethnischen Herkunft und Kultur – nur die unterste Stufe einer Skala von Einstellungen ist, die wir heute für unser Zusammenleben brauchen.
Toleranz kann kalt sein und mit zusammengebissenen Zähnen geschehen, aus Angst vor Strafe oder anderen Nachteilen. Ihr Verständnis ist ambivalent geworden.
Wir brauchen sie immer noch, aber es gibt in unserem Gebrauch bereits andere Wörter, die näher an unsere heutige Wahrheit heran rücken. Respekt ist eines davon oder Wertschätzung. Sie sind eindeutig. Da braucht es keinen Sicherheitsabstand mehr, wohl aber eine gesunde Distanz, die dem Anderen seinen Freiraum lässt und auch den eigenen bewahrt.

Das ist schon so in unseren privaten Beziehungen. Wo es um „mein Recht“ und „deine Pflicht“ geht, ist von Abgrenzung die Rede und nicht von „miteinander“.
Wenn ich einen anderen Menschen so sein lassen kann, wie er/sie ist, ohne mich durch sein Anderssein bedroht zu fühlen, zeugt das von großer menschlicher Reife, gerade weil diese Haltung im Alltag so schwer sein kann.
Wir werden es auch nicht immer und nicht mit jedem Menschen schaffen, aber wo es gelingt, ist es ein kleiner Beitrag zum Frieden in der Welt.

Gerade in der Corona-Krise fühlen wir uns oft so ausgeliefert und hilflos. In anderen Länder kommen sinnlose Kriege, Flucht und Heimatlosigkeit dazu.
Wo ist das Gegengewicht zu so viel Leid in unserer Welt? Wir haben mehr Fragen als Antworten. Und doch ist es wichtig, dass wir die Fragen da sein lassen. Auch die großen, für die es Lösungen nur in winzigen Portionen gibt.

Immer wieder hören wir von Menschen, die die Not der anderen hautnah an sich heran lassen, im eigenen Umfeld, aber auch in anderen Teilen der Welt. Hier geht es nicht nur um Toleranz, sondern um ein Tun, das aus dem Mitfühlen und der Empathie des Herzens kommt. Wie kann ich gar nichts tun, wenn Andere so leiden? Ist meine Vorstellungswelt so eingeschränkt, dass mir gar nichts einfällt? Oder lulle ich mich ein in meine Bequemlichkeit?

Eine globale Welt, über die ich mich täglich informieren kann, schreit nach einer Mitmenschlichkeit besonderer Art. Papst Franziskus nennt sie „Geschwisterlichkeit“ (Tutti Fratelli) Das ist zunächst einmal eine innere Einstellung. Kann ich spüren, dass ich Teil einer Menschheitsfamilie bin, dass mich sehr wohl etwas angeht, wie es Anderen geht? So wie die Quantenphysik uns aufschlüsselt, dass im Universum alles mit allem zu tun hat, so kann ich mich nicht der Erkenntnis entziehen, dass ich kein Individuum auf einer einsamen Insel bin. Ich bin eingebunden, bin mit verantwortlich für die Energie, die in einer Gesellschaft vorherrscht. Sind es Rücksichtslosigkeit und Gewalt oder Verständnis und Bemühen um Einheit bei aller Unterschiedlichkeit?

Ich habe nur einen Ort, wo ich das leben kann: meine Familie, Gemeinschaft, meine Umgebung. Ich darf aber sicher sein, dass es seine Auswirkungen hat auf das große Ganze. Es sieht oft so aus, als ob nur die negative Energie ihre Wirkkraft hat, weil sie so laut ist. Das täuscht. Die leisen Gebete und Segnungen, die aus befriedeten Herzen kommen, werden von der Seele unserer Welt wahrgenommen und lassen die Hoffnung nicht sterben.

Ulrich Schaffer schreibt:
Ich hoffe, dass mir anzumerken ist,
dass die Liebe lebbar ist,
auch in einer Welt voll Gewalt.
P.H.