Ist es wahr, dass das Kreuz einen glaubenden Menschen trösten kann? Nicht das einfache Holzkreuz, sondern eines mit Corpus? Viele Menschen haben es so erlebt in eigener großer Not.
Wie soll das gehen, wenn da einer hängt, der selber nach dem Warum fragt
und hilflos seinem Schicksal ausgeliefert ist? Wie kann einer trösten, der selber um den Sinn seines Lebens ringt?
Die letzten Worte Jesu am Kreuz spiegeln den Aufruhr im Herzen Jesu wieder. Sie sind zugleich der Aufschrei der Menschheit zu allen Zeiten und an allen Orten. Und durch den einen, der selbst das Leid voll ausgeschöpft hat, wurde es der Schrei Gottes über das, was Menschen anderen Menschen antun.
Um das auch nur annähernd zu verstehen, muss der Christ des 21. Jahrhunderts ein Mystiker sein, wie Karl Rahner sagt, oder er ist keiner mehr. Die Theologie allein kann die Herzen nicht bewegen. Sie braucht die Mystik, das innere Schauen und Tasten, um Glaubensinhalte zu erfassen. Deshalb brauchen wir auch Theologen, die noch beten. Ohne eine persönliche Beziehung zu Gott – mit oder ohne Worte – springt kein Funke über.
Ähnlich schreibt Helmut Thielicke über Golgotha oder das Schweigen Gottes:
Das Schweigen Gottes ist die größte Belastungsprobe unseres Glaubens.
Wer wüsste das nicht!
Menschen würden nicht über all das schweigen, was passiert.
Aber wären sie darum barmherziger?
Das größte Schweigen Gottes ist das Kreuz gewesen.
Da durfte die Macht der Finsternis ihr letztes Aufgebot entsenden.
Und Gott – sagte nichts dazu.
Nur ein Sterbender schrie laut in das Schweigen hinein und fragte,
warum, ja warum ihn denn Gott verlassen habe.
Gott schwieg auch dann noch,
als selbst die stumme Natur in einer erschütternden Geste zu reden begann
und der Sonne ihren Schein entzog.
Die Gestirne schrien und Gott schwieg.
Aber nun vollendet sich das Große Geheimnis dieses Schweigens:
Gerade diese Stunde,
da Gott mit keinem Wort und keiner Silbe antwortete,
war die Stunde der großen Weltwende.
Indem Gott schwieg, hat er mitgelitten,
ist er die Bruderschaft des Todes mit uns eingegangen
und hat um alles gewusst.
Von dieser Golgothanacht des Schweigens
Leben wir alle.
Gottes Schweigen ist anders
als das der Menschen.
Wie werden wir also die heiligen 3 Tage mit diesem Jesus verbringen?
Mit einer Resignation vor vielen ungelösten Fragen? Mit einem Achselzucken vor zu viel Verworrenheit und zu vielen Interpretationen?
Oder mit offenen Händen und einem Herzen, das sich vor dem Geheimnis
Gottes verneigt. Ein Geheimnis kann man , anders als das bei einem Rätsel der
Fall ist, nicht lösen. Man kann sich ihm nur nähern. Jemand anderer macht die Tür auf.
Sr. Pietra Hagenberger
Bild: Kreuz in Generalat der A. Schulschwestern in Rom
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