Kann man das: bis ins Alter hinein den Schatz des Lebens hüten und bewahren? Kann man die Perlen, die einem immer wieder geschenkt worden sind, so in der Erinnerung behalten, dass sie einem in nüchterneren Zeiten die Freude wiederbringen? Haben auch Schmerzen und Tränen ihren rechten Platz in der Buntheit des Lebens, so dass ich sie nicht auszuklammern brauche aus der Gesamtheit meiner Lebenserfahrungen?
Von Augustinus stammt das Bild von einem wunderbar geknüpften Teppich, den wir aber nur von unten sehen, mit seinen vielen herunterhängenden Fäden. Das Muster ist auf der uns abgewandten Seite. Wir werden es in diesem Leben nicht sehen. Wir sehen nur das Gewirr von hellen und dunklen Farben und vertrauen darauf, dass der Weber das Ganze als Original gestaltet und es unter seinen Händen die Gestalt annimmt, die es haben möchte.
Ja, wir tragen auch unseren Teil dazu bei, denn wir sind frei, uns innerhalb unserer Bedingungen zu entscheiden. Wir bestimmen das Muster mit durch viele größere und kleinere Möglichkeiten, unter denen wir auswählen.
Es wird sich im Lauf des Lebens immer mehr herauskristallisieren, wo unsere Prioritäten sind, welchen Dingen, Beschäftigungen und Gedanken wir den Vorrang geben, kurz gesagt, wofür unser Herz schlägt. Was uns kostbar ist, das werden wir nicht vernachlässigen, sondern immer mehr schätzen. Wofür wir dankbar sind, das wird auch unser Verhalten prägen.
Vielleicht sind es Beziehungen zu bestimmten Menschen, zu Tieren und Pflanzen, die uns glücklich machen durch ihr Dasein.. Vielleicht ist es ein bestimmtes Interessengebiet, in das wir uns vertieft haben. Vielleicht ist es ein Hobby, das unsere Kreativität aufruft, wo wir sie nicht vermutet hätten. Vielleicht ist es ein Instrument oder eine bestimmte Art von Musik, die uns heiter und beschwingt sein lassen. Auf jeden Fall machen sie unser Leben bunter und reicher und wir spüren unser Herz intensiver schlagen.

Meistens sind es Momente, an die wir uns erinnern. Es gibt aber auch ganze Perioden, die sich wie „Ernte“ anfühlen: Abschnitte, die das Leben selbst einteilt, in denen es Abschiede und neuen Anfang gibt. Es kann eine stärkere Orientierung sein hin zu den Fragen: Woher komme ich? Wer bin ich? Wohin gehe ich? Es sind die „nackten Fragen des Daseins“, würde Ermes Ronchi vielleicht sagen.

Der größte Schatz für einen Menschen ist es, wenn er sein Leben als sinnvoll empfinden kann. Die vermeintliche Sinnlosigkeit erschüttert die Grundfesten unseres Menschseins. Victor Frankl, der eine Zeit im KZ verbrachte und sie überlebte, baut seine Logotherapie auf dieser Erfahrung auf: „Trotzdem Ja zum Leben sagen“. Dieses „Trotzdem“ ist ein Sich-Aufbäumen des Menschen gegen ein übermächtiges Schicksal, das ihn niederdrückt und kaputt machen will. Wir sollten jeden unterstützen, der sich noch wehren kann oder ihm/ihr zeigen, wozu es sich zu leben lohnt. Dazu müssen wir aber selbst Menschen bleiben, die das Leben schätzen, und Glaube, Hoffnung und Liebe als hohe Werte sehen. Das sind die Farben, die uns ab und zu einmal das Muster hinter den Fäden erahnen lassen.

Das Kaleidoskop unserer Erlebnisse und Erfahrungen wird immer neu durch- geschüttelt und bringt immer neue Muster hervor. Geht wirklich nichts verloren von all den Teilchen, die zum Bild gehören? Wird es schon die Farben der Ewigkeit in sich tragen? Es gibt Fragen, mit denen man gut leben kann – die wichtiger sind als ihre Antworten.

Was bleibt, ist die Gewissheit, dass es sich lohnt, in das Leben zu investieren,
Der Weg, die Wahrheit und das Leben haben ein Gesicht bekommen in Jesus Christus. Es gibt viel zu entdecken auf diesem Terrain und in seiner Begleitung.

Was immer wichtiger wird, ist das Wissen, dass es einen gibt, der alles in der Hand hält. Die Schatzsuche bleibt also aktuell – und sie fasziniert nicht nur Kinder.
Text: Sr. Pietra Hagenberger
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