Was macht den kleinen Mann fähig, so liebevoll zu seiner Oma zu sein?
Wer hat ihn gelehrt, wie man zärtlich ist?
Er scheint noch voll und ganz in seinem Urvertrauen zu leben, das seine Familie für ihn behütet hat. Nur eine liebevolle Umgebung macht so etwas möglich.
Er kann schon geben, obwohl er noch so klein ist. Sein Herz ist offen für einen Menschen, den er kennt und liebt. Und er kann sich ausdrücken, was viele Menschen bis zum Erwachsenenalter verlernt haben.
Es sind die Gefühle, die uns noch in der Erinnerung das Herz erwärmen können
Und es sind oft nur Momente, die uns total glücklich machen. Der kleine Junge kann noch nicht sprechen, aber seine Geste sagt alles.

Warum sind wir Erwachsene so vorsichtig und misstrauisch geworden? Warum sehen viele heute einen Anderen, der anders denkt, gleich als Feind und nicht als einen, der/eine, die einfach eine andere Meinung hat als wir. Was ist aus unseren Augen, oder besser gesagt, aus unseren Herzen geworden im Laufe der Zeit?
Sicher, nicht alle haben eine so gute Ausgangsbasis wie der kleine Junge im Bild. Manche Kinder werden schon von klein auf vernachlässigt und unzuverlässig versorgt. Wie sollen sie ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln, wenn keiner sie richtig anschaut? Wenn sie keinem etwas bedeuten? Schon der Psalmist klagt: „Da ist kein Mensch, dessen Blicke auf meinem Leben ruhten…“ Er tut es aus der Einsamkeitserfahrung eines Erwachsenen heraus, die keinem Menschen erspart bleibt. Selbst wenn „man mit einer Kindheit voll Liebe ein halbes Leben auskommen kann“, gibt es auch später noch Verletzungen und Wunden, die lange zur Heilung brauchen. Der Glaube bewahrt uns nicht vor solchen Erfahrungen. Aber er gibt uns eine Geborgenheit, die weit über unsere Schmerzen hinausgeht.

Sehr oft ist es für einen Menschen der größte Schmerz, wenn er nicht sein darf, wer er ist. Wenn er abgelehnt wird, weil er der Norm nicht entspricht. Dabei ist doch die größte Sehnsucht des Menschen, ein Original zu sein, sich zu unterscheiden und dadurch die Menschheit als Ganzes zu bereichern.
Der Psychologe George Pennington zeigt uns auf, dass die Geringschätzung eines Anderen der Anfang von stärkeren Gefühlen bis hin zum Hass sein kann.
(G.P. Bewusst leben, DVD). Das bedeutet aber, dass wir uns unserer Gefühle der Geringschätzung bewusst werden müssen. Auch das kann Sache von Augenblicken sein: Ich sehe jemanden, der mir unsympathisch oder verdächtig erscheint und schon habe ich ihn/sie beurteilt, eingeordnet und – wenn ich ehrlich zu mir bin – als weniger wertvollen Menschen abgestempelt. Ich tue dem Menschen ja nichts, aber ich nehme ihm seine Würde. Das genau ist der Ort, wo ich an mir arbeiten muss, damit aus der Geringschätzung nicht mehr wird, ohne dass ich es merke. Es gibt Muster in meinem Leben, die ich verlernen muss. Dabei hilft mir die Wachheit für den Augenblick.
Irgendwo habe ich folgendes kleines Gedicht gelesen:

Man wandert nur einmal durchs Leben.
Was mir auf diesem Weg möglich ist,
ein herzliches Wort hier,
ein freundliches Tun dort.
Ich will es nicht unterlassen
Denn ich werde nie wieder des Weges kommen.

Text :Sr. Pietra Hagenberger
Foto: Bärbel Zapf