„Bitte, rede mit mir…!“
Das sagt ein Mensch, der das Schweigen zwischen sich und einem Anderen nicht mehr aushält. Dieses Schweigen ist nicht gut oder befreiend. im Gegenteil: es engt ein, es nimmt einem die Luft zum Atmen, und es verhindert ein freies Schwingen der Atmosphäre zwischen zwei Menschen.
Vorausgegangen ist oft ein Streit, wegen einer Kleinigkeit oder aus einem Missverständnis heraus. Und einer kann oder will nicht darüber reden. Er/sie ist verletzt und beleidigt. Er/sie baut eine unsichtbare Mauer um sich auf und fühlt sich im Recht in seiner/ihrer „splendid isolation“. Aber wer fühlt sich wirklich wohl in einer so eisigen Atmosphäre? Weder die einen noch die Anderen. Im besten Fall wird es ein Nebeneinander-her-leben, das allmählich in Gleichgültigkeit übergehen kann.
Wenn das in einer Gemeinschaft geschieht, wird noch deutlicher, dass der, der so schweigt, eine ungeheure Macht ausübt auf die anderen. Jeder geht wie auf Zehenspitzen um ihn/sie herum. Die allgemeine Aufmerksamkeit ist abgelenkt und konzentriert sich auf einen kurzatmigen Frieden, der keiner ist. Die Angst ist spürbar auf beiden Seiten. Wie kommt man aus so einer Situation wieder heraus?
Ab und zu gibt es einen Menschen, dem es zu einer guten Zeit und in einem richtigen Augenblick gelingt, die Wand zu durchbrechen und den Anderen wirklich zu erreichen. Es ist ein Moment, in dem Gott spürbar mit im Spiel ist, denn es ist seine Liebe und sein Wesensmerkmal, dass er niemals einen Menschen aufgibt – nicht einmal einen schon verstummten, der keine Hoffnung mehr zu kennen scheint. „Du führst mich hinaus ins Weite. Du machst meine Finsternis hell“, singt der Psalmist.
Gehöre ich zu den Menschen, die anderen eine Chance geben – immer wieder? Ich muss dabei oft über meinen Schatten springen, denn auch ich habe das Selbstherrliche, Dunkle in mir, das sich gerne selbst bemitleidet, wenn ich mich nicht verstanden fühle. Jeder kann sich einigeln in sein kleines Ich.
Wie steht es überhaupt mit der Pflege unserer Beziehungen? Neulich habe ich ein Gedicht gelesen, über das ich lange nachdenken musste:
im vorübergehen
fragt mein nachbar
wie es gehe
er fragt nicht
weil er mit-gehen will
er fragt
weil er weiter gehen will
ich antworte
es geht
aber es geht nicht
so nicht
Das bedeutet natürlich nicht, dass jeder, der mich fragt, wie es gehe, gleich meine ganze Lebensgeschichte hören möchte. Es genügt, wenn ich an seiner Mimik und Gestik spüre, dass es nicht nur eine Floskel ist, die ich mit einem Schlagabtausch abwehren kann: „Danke, gut“ – selbst, wenn es nicht stimmt.
In dem So-nicht des Gedichtes wird eine Sehnsucht sichtbar nach echter Begegnung, nach Austausch und gegenseitiger Wertschätzung. Wir brauchen einander in einem sehr tiefen Sinn. Es gibt engere und weitere Beziehungen, die jeweils ihre eigene Sprache haben. Unser eigenes Glücklichsein in dieser Welt hängt viel damit zusammen, wie wir miteinander umgehen.
Text: Sr. Pietra Hagenberger
Bild: Pfr. Robert Hegele
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