Stellen Sie sich einmal vor: Sie sind in Italien mit Ihrem Auto in einen der langen Autobahn-Tunnel eingefahren. Die Ausfahrt ist noch nicht sichtbar, und plötzlich werden die Rücklichter des Autos vor Ihnen rot. Ein Stau mitten im Tunnel? Ein Albtraum, weil ich nicht weiß, was da vorne los ist. Schließlich schalten wir alle den Motor ab. Wir stehen fast im Dunklen. Aber doch nicht ganz: Ich sehe einen schwach beleuchteten Notausgang. Wenigstens das. Aber die Angst kriecht trotzdem in mir hoch. Mein Kopfkarussell malt grässliche Bilder von Unfällen im Tunnel. Ich schaue auf den Gegenverkehr, der langsam an mir vorbeirollt. Ein Mann winkt mir zu und zieht eine Grimasse. Irgendwie tröstet mich das. Und nach einer Zeit, die mir wie eine Ewigkeit vorkommt, geht es weiter. Noch nie habe ich das Licht am Ende des Tunnels so begrüßt wie damals. Noch nie war ich so dankbar für die Helligkeit des Tages und die Weite des Ausblicks.
Eines ist sicher: Ein Tunnel ist gedacht zum Durchfahren und nicht zum Bleiben. Eine Dunkelheit ohne die Aussicht auf Licht ist qualvoll. Dasselbe gilt auch im übertragenen Sinn.
Eine dunkle, sehr fordernde Strecke in unserem Leben kann uns vergessen lassen, dass es die Sonne gibt. Eine große Sorge. eine schlechte Nachricht, ein schockierendes Ereignis können unseren Weitblick zum „Tunnelblick“ verkommen lassen. Unser Leben wird plötzlich oder langsam immer beengter und hoffnungsloser. Und wir selber werden vielleicht „komisch“ für die Anderen, die uns nicht mehr verstehen. Wir sind einsam und allein.
Schlimmer wird es, wenn wir uns an das Negative gewöhnen und es für eine normale Wahrnehmung halten. Wir warten gar nicht mehr auf das Ende des Tunnels. Wir haben resigniert. Oder wie jemand die Gedanken des Jona im Walfisch formuliert: „Man kann sich einrichten im Wal …“
Und wo ist der Gott, der von sich sagt, dass er immer da ist? Mit Jona ist Gott noch lange nicht fertig: Der Fisch spuckt ihn aus. Es ist ein trotziger Jona, der da herauskatapultiert wird, und er hat noch oder wieder viel Energie, um mit Gott weiter zu streiten. Gott will einen barmherzigen Jona, der einem heidnischen Volk einen gnädigen Gott gönnt. Jona will vor allem eines: Recht haben. Die Geschichte hat einen offenen Schluss – Zeit also, um sich zu sortieren.
Mit Gott zu streiten kann ein Weg sein heraus aus einer depressiven Stimmung. Dabei ist es aber gut zu wissen, dass ich mit einem Gott streite, wie ich ihn mir vorstelle. Sobald ich bereit bin, den Platz für dieses Bild leer sein zu lassen, kann der lebendige Gott hereinstrahlen in meine Dunkelheit und mir eine kleine Ahnung davon schenken, wer er wirklich ist. Vor allem werde ich allmählich wissen, wer er für mich ist. Ich werde Nahrung finden in seinem Wort, und mein Blick wird wieder ungetrübter für seine Wirklichkeit, für seine Wirklichkeit auch mitten in Leid und Bangen.

Marie Luise Kaschnitz beschreibt es so:
Auferstehung
Manchmal stehen wir auf
Stehen wir zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserem lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut
Nur das Gewohnte ist um uns
Keine Fata Morgana von Palmen
Mit weidenden Löwen
Und sanften Wölfen

Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken
Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus

Und dennoch leicht
Und dennoch unverwundbar
Geordnet in geheimnisvoller Ordnung
Vorweggenommen in ein Haus von Licht.

Text: Sr. Pietra Hagenberger
Bild: Pfr. Robert Hegele