Ich habe mir erzählen lassen, dass es nichts Schöneres gibt, als dabei zu sein, wenn eine Wüste nach einem Regen zu blühen anfängt.
Jemand hat einmal gesagt: „Die Wüste weint, weil sie eigentlich ein Garten sein möchte.“ Und plötzlich ist sie dieser Garten. Der eintönige gelbe Sand, in dem kein Leben mehr möglich zu sein scheint, wird überschüttet von grünem, saftigen Leben. Man sieht Insekten und kleine Tiere und wundert sich, wo sich denn diese Vitalität die ganze Zeit versteckt hat.
So abrupt wie der Regen begonnen hat, hört er auch wieder auf, und die Wüste schlüpft zurück in ihr Alltagskleid. Der Wind malt wieder seine Muster in ihre Eintönigkeit.
Der Mensch, der in der Wüste wohnt oder in ihr die Stille sucht, weiß, dass er sich ihr anpassen muss, um zu überleben. Sie stellt die Bedingungen, nicht er.
Sie bietet ihm einen Ort ohne Ablenkung, eine Umgebung, die sich einem zumutet in ihrem fühlbaren Mangel an Mitgefühl und Trost. Und doch ist wahr, was Exupéry einmal gesagt hat: „Das Geheimnis der Wüste ist, dass sie einen Brunnen birgt.“ Den muss man aber suchen.
In der Wüste von Namibia gibt es einen Baum mit saftigen Früchten, den die Beduinen sehr schätzen. Er steht mitten im unfruchtbaren Sand. Sein Geheimnis ist, dass er eine 4 m lange Pfahlwurzel hat.
Es wundert nicht, dass die Wüste auch als Ort der spirituellen Läuterung und der Bewährung gesehen wird. Die Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste mit all seinen geistlichen Erfahrungen ist sozusagen ein Ursymbol nicht nur für Israels Propheten und Jesus Christus selbst, sondern auch für uns glaubende Menschen überhaupt.
Erfahrungen der Weglosigkeit und Orientierungslosigkeit, Trostlosigkeit, Gottesferne oder die „dunkle Nacht der Seele“, wie Johannes v. Kreuz es nennt, sind Erlebnisse, die auch wir auf unserem Glaubensweg erfahren und zu deuten versuchen: Wüstenerfahrungen einfach, die uns die Quelle in der Tiefe entdecken lassen, aus der wir letztlich leben.
Nicht alle Menschen würden freiwillig in eine Wüste gehen. Sie ist zu kompromisslos und zu anspruchsvoll. Im übertragenen Sinn wird sie uns einfach zugemutet – als Angebot, wie wir später manchmal erkennen dürfen. Sie kann uns befreien von Selbstbesessenheit und Selbstbespiegelung, die zu den letzten Dingen gehören, die man freiwillig hergibt. Es ist oft kein bewusstes Festhalten, sondern ein Mangel an Einsicht, der uns den Blick verschleiert. Ein bejahter Aufenthalt in den „Wüsten“ des Lebens kann sogar Einsamkeit heilen, weil sie uns eine neue Verbundenheit schenkt mit Menschen und Dingen, die wir dann aus einer anderen Perspektive sehen lernen…
Wüsten können Orte der Gotteserfahrung werden, aber vielleicht muss ich Gott überlassen, wie er sich mir zeigt. Seine Art und Weise des Sich-Offenbarens muss nicht meinen Erwartungen entsprechen. Augenzwinkernd hören wir den „kleinen Mönch“ (Delbrêl/Grün) fragen: „O Gott, wenn du überall bist, wie kommt es dann, dass ich so oft anderswo bin?“
Gott ist der Unverfügbare, und alle Deutungsversuche bleiben letztlich genau das: Versuche, die mehr oder weniger weit entfernt sind von der ewigen Wahrheit.
Und doch haben wir einen großen Schatz in unserem Menschsein: die Sehnsucht und die Ahnung.
In dieser Haltung dürfen wir wissen: Das Wunder wartet schon: das Wunder der Wandlung der Wüste in einen Garten und das Wunder vom Tod hinein ins Leben.
Hilde Domin drückt das Warten so aus:
Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten

Text: Sr. Pietra Hagenberger
Foto: Wikipedia https://www.wikiwand.com/nl/Namakwaland_(regio)#/Geografie_en_naamgeving