„Es ist Brot und Leben genug für alle da“

Schwesterntag im Mutterhaus in München, 13. Mai 2017, zum Thema des 24. Generalkapitels:

„Vertrauen und Wagen. Mit Wenigem zufrieden, setzen wir voll Freude unser ganzes Leben ein für jene Einheit, um derentwillen Jesus Christus gesandt war.“

Eine Antwort – aber auf welche Fragen?
Referent: Pater Erik Riechers SAC

Schwester Charlotte Oerthel beginnt mit einem Gruß und Dank an den Referenten und alle Anwesenden, besonders an alle, die mit der konkreten Vorbereitung des Tages, der Organisation der Pausen und der Gestaltung des Gottesdienstes befasst sind.

Einen schwungvollen Einstieg in das Programm bietet die Tanzgruppe des Theresia-Gerhardinger-Gymnasiums am Anger „Celtic Colleens“ mit irischen Tänzen, die den verdienten großen Applaus bekommen.

Pater Erik geht das Thema des Tages aus einer ungewohnten Blickrichtung an. Das Thema sei die Antwort, führt er aus, aber auf welche Frage(n)? Diese Fragen möchte er in vier Impulsen behandeln. Er tut dies mit Humor und Tiefgang, indem er bekannte Passagen aus den Evangelien aus mitunter ungewohnter Perspektive (im Sinne der narrativen Theologie von John Shea) vorstellt. Weitergehende Überlegungen mit den unmittelbaren Nachbarn in „Murmelgruppen“ vertiefen das Gehörte.

Lk 15
Nicht das „Wenige“ oder das „Viele“ ist das Problem, sondern die Einstellung des Herzens: wer Angst hat, zu kurz zu kommen, sich abgelehnt fühlt oder von Neid erfüllt ist, schafft es nicht, sich angenommen und beheimatet zu fühlen

„Es ist Brot und Leben genug für alle da“

Das Problem ist nicht, ob es sich um Fülle oder Mangel handelt – der Umgang mit beidem kann gleichermaßen schwierig sein.
Das Problem liegt im Herzen des Menschen – es ist das „panische Herz“, das Angst hat, zu kurz zu kommen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist Lk 15, jenes Kapitel, in dem es um Verlorenes geht: das Schaf, die Drachme, schließlich die beiden Söhne. Letztlich geht es um eine Gegenüberstellung zweier Herzen – des „neidischen Herzens“ wie auch des „abgelehnten Herzens“; der Vater der beiden Söhne, die sie verkörpern, steht dazwischen. Er möchte sie beide „ins Haus bekommen“.
Das „panische Herz“ verliert das Vertrauen, dass Brot und Leben genug für alle da ist. Und zwei Ausformungen des „panischen Herzens“ sind: das „abgelehnte Herz“ und das „neidische Herz“.
Beide verfolgen verschiedene Strategien:
Das „abgelehnte Herz“ macht sich klein, hält sich für nicht liebenswert wie der jüngere Sohn (Lk 15,21). Welche Strategie setzt der Vater ein, um den Sohn ins Haus zu bekommen? Er reagiert mit der Tat. Er setzt neun Zeichen der Wertschätzung (Lk 15,20 und 21). Das heißt, er nimmt die Selbstablehnung und das Selbstmitleid des Sohnes nicht an, „lehnt die Ablehnung ab“. Das heißt für uns: alle Urteile Gottes über uns sind ausgerichtet auf unsere Möglichkeiten; sie suchen gerade nicht unsere Beschämung.
Das „neidische Herz“ des älteren Sohnes versucht, Selbstwert durch Leistung zu etablieren, Zuneigung als etwas Verdientes einzufordern. Es fühlt sich nur besser im Vergleich mit einem oder vielen anderen (Lk 15,29) Die Strategie des Vaters gegenüber dem „neidischen Herzen“ ist Demaskierung. Was der Vater dem Sohn vor Augen hält, ist: Du lebst in der Fülle, hast aber keine Ahnung, wie du mit dieser Fülle leben kannst. Es bleibt offen, ob es dem Vater gelungen ist, den älteren Sohn in das Haus zu holen, in dem sich der jüngere schon befindet.
„Vertrauen und wagen“ kann man also nur ohne panisches Herz  – in der Überzeugung, dass Brot und Leben genug für alle da ist.

Mt 6,35-44
Gott handelt nicht ohne unser Zutun, er fordert uns heraus, das zu üben, was wir noch nicht können – nicht immer nur das, was wir schon können. Es geht für jeden darum, zur Verfügung zu stellen, was er hat – und niemand anderer. Und nur das, was auf den Tisch kommt, wird verwandelt.

Es ist eine Frage nach meinem Leben, nicht nach dem der anderen. Der Ausgangstext hier ist Mk 6,35-44, die Perikope von der Speisung der Fünftausend. Jesus fragt die Jünger nach dem, was ihnen zur Verfügung steht – sie sollen nachsehen (Mk 6.38). Die Frage an uns ist: Was steht dir zur Verfügung? Das setze ein. Jesus handelt nicht ohne das Zutun seiner Jünger. Sie sollen lernen zu teilen, und indem sie teilen, entdecken sie, dass es Brot und Leben für alle gibt.
Gott fordert uns heraus, das zu üben, was wir noch nicht können – nicht immer nur das, was wir schon können.
Als erstes Prinzip der Eucharistie, schon bei den Kirchenvätern, gilt: Nur was auf den Tisch kommt, wird verwandelt. Gott will nicht aus der Leere schaffen. Was sind wir bereit auf den Tisch zu legen? Was steht uns zur Verfügung?
„Vertrauen und Wagen“ geht nicht ohne Wir.
Wir müssen Spieler, nicht Zuschauer unseres Lebens sein. „Leben ist ein Kontaktsport“.

Eine perfekte Überleitung zum gemeinsamen Mittagessen, diesmal in der Mensa des Gymnasiums. In den langen Schlangen, die sich vor allem an der hinteren Ausgabe bildeten, war genügend Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen, vielleicht auch das Gehörte zu vertiefen.

Nach der Mittagspause ging es weiter.

 

Mk 10,17-28 / 9,43-48.
Das ewige Leben kann man nicht „erben“ wie einen Besitz – man muss in dieses Leben „eingehen“ und alle Hindernisse, die sich dem in den Weg stellen, beseitigen: die Handlungen, die Richtung, die man einschlägt, die Sehweise – Gewohnheiten, die zu Stolperfallen werden. Sonst verfehlt man dieses Leben.

Eine Frage ist nur dann echt, wenn man sich für die Antwort interessiert. Biblischer Ausgangspunkt hier ist Mk 10,17-28. Der reiche junge Mann, der aus eigenem Antrieb kommt, verwendet bei seiner Frage die Sprache eines Besitzenden: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?“ (Mk 10,17) Jesus macht hier deutlich, dass das ewige Leben nicht etwas ist, was man besitzen oder erben könnte, sondern eine Realität, in die man „eingeht“ – und dass es darum geht, das loszulassen, was ein Hindernis ist, in dieses Leben „einzugehen“.
Das drückt das vorangehende Kapitel (Mk 9,43-48) noch drastischer aus: lass dich von nichts abhalten, ins Leben einzugehen, trenne dich von dem, was dich zum Stolpern bringt. Die Hand steht für die Handlung und die Kraft zum Handeln, der Fuß für die Richtung, die wir einschlagen, das Auge für die Sehweise. Es sind alles „Gewohnheiten“, von denen man sich radikal trennen muss.
Und „Gehenna“, was immer mit „Hölle“ übersetzt wird, ist ein Tal bei Jerusalem, der bei der Aufteilung des Landes ungewollt geblieben ist, der Ort, an dem die Kanaaniter ihre neugeborenen Kinder den Göttern opferten, ein Ort, der zur Müllhalde geworden ist. „Gehenna“ ist der Ort, an dem neue Ideen, Träume und Visionen geopfert werden, wo man Neuem erst gar keine Chance gibt, sich zu entfalten, sondern es sofort im Keim erstickt, manchmal – im Leben hier und jetzt -, ohne es auch nur anzuhören.

Gottesdienst

Bei der abschließenden Eucharistiefeier, musikalisch gestaltet von der Schwesternband, folgte dann in der Predigt:

Dem Leben dienen – Diener der Freude sein
Da kurz darauf die große Feier von „100 Jahre Patrona Bavariae“ aller bayerischen Bistümer auf dem Marienplatz stattfindet, wird auch in unserer Eucharistiefeier das liturgische Formular dieses Festes (1. 5.) genommen. Das dazugehörige Evangelium ist das von der Hochzeit zu Kana (Joh 2).
Wichtige Schlüsselfiguren sind die Diener – so wie auch in 2 Kön 5. Sie wissen, welche Bedingungen geschaffen werden müssen, damit Verwandlung, damit Heilung geschieht. Und sie handeln so.
Um dem Leben zu dienen, muss man also wissen, was im Alltag zu tun ist, damit Gott seinen Teil tun kann. Und man muss es nicht nur wissen, sondern auch tun.

Dem Leben dienen – Diener der Freude sein
Das dazugehörige Evangelium ist das von der Hochzeit zu Kana (Joh 2).
Wenn Not gewendet wird, wenn Hunger und Durst gestillt werden, dann sieht man das als die Stunde Gottes an. Hier aber wird nicht Not gewendet; der Wein ist ausgegangen, geblieben aber ist die Lust auf mehr, auf mehr Leben, auf mehr Fülle. Und auch das ist die Stunde Gottes. Er wirkt wiederum nicht ohne menschliches Zutun. Die wichtigste Rolle kommt hier den Dienern zu. Sie sind Spezialisten für das konkrete Leben, diejenigen, die Erfahrung haben, wie man im Alltag Bedingungen dafür schafft, dass Verwandlung stattfinden kann. Das ist unsere Aufgabe: dem Leben dienen. Wie Maria, die Magd des Herrn. Auch sie wendet sich mit ihrer Aufforderung: „Was er euch sagt, das tut,“ an die Diener (Joh 2,5).
Es gibt noch eine andere Stelle, an der wiederum Diener die Hauptrolle spielen: in diesem Fall die des syrischen Generals Naaman. Sie bewirken durch ihr Zureden, dass Verwandlung, in diesem Fall Heilung seines Aussatzes stattfinden kann: 2 Kön 5.
Um dem Leben zu dienen, muss man also wissen, was im Alltag zu tun ist, damit Gott seinen Teil tun kann, damit Verwandlung, Heilung geschehen kann. Und man muss es nicht nur wissen, sondern auch tun.